Bürger und Gemeinde als Energiepartner
„Oberhaching Strom-souverän?“
Um die Frage zu beantworten, ob und wie dieses Motto in absehbarer Zeit realisierbar sei, waren Referenten des Stromnetzbetreibers Bayernwerk (BAG) und der Gemeindewerke Oberhaching (GWO) eingeladen - und das Bürgerinteresse entsprechend hoch.
„Wir werden momentan überrannt“ skizzierte Silke Mall, Leiterin Kommunalmanagement der BAG, die derzeitige Situation auf dem Markt für Strom aus regenerativen Energien. Von potenziellen Einspeisern lägen für das Jahr 2022 nicht weniger als 60.000 Anfragen, von möglichen Beziehern gar 80.000 Anfragen bei der BAG vor. Entsprechend hoch seien auch die Anstrengungen des Bayernwerks für den Ausbau und die Digitalisierung des Stromnetzes: Rund vier Milliarden Euro stehen für 2020 bis 2025 auf dem Investitionsplan.
Die technischen und rechtlichen Grundlagen für den Anschluss von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien stellte Michael Kölbl, Leiter Netzplanung der BAG, den rund 80 Besucherinnen und Besuchern vor. Die BAG prüfe derzeit Anschluss-Anfragen potenzieller Erzeuger regenerativer Energien mit einer Gesamtleistung von etwa 10 Kernkraftwerken, so Kölbl. Nicht nur das enorme Interesse auf Anbieter- und Nachfragerseite stellten dabei für sein Unternehmen eine enorme Herausforderung dar, sondern vor allem auch die ambitionierten Vorgaben seitens der Politik, die sich innerhalb weniger Jahre vervielfacht hätten. „Wir haben in den nächsten Jahren einen erheblichen Bedarf an Netzausbau, um alleine den politischen Vorgaben nachkommen zu können“, resümierte Kölbl.
GWO als kommunaler Partner mit Erfahrung
Den möglichen Beitrag der Gemeinde Oberhaching und ihrer Gemeindewerke zu den skizzierten Zielen beschrieben Sascha Bucklitsch, kaufmännischer Leiter der GWO, und Vertriebsingenieur Fabian Schmidt. Schon seit 2013 seien die GWO Lieferant von Ökostrom aus 100 Prozent Wasserkraft und versorgten rund 1.300 Privathaushalte, Kommunen und Behörden vorwiegend in der Region, so Schmidt. Eine klare und transparente Preispolitik, faire und marktgerechte Preise sowie eine individuelle und persönliche Beratung am Ort seien die Vorteile, die Kunden des `Oberhachinger Stroms´ genießen könnten.
Eines der Hauptprobleme bei diesen Bemühungen sei, so Schmidt, dass der Anteil des Arbeitspreises am Strompreis innerhalb weniger Jahre von 20 auf knapp 40 Prozent gestiegen sei und die GWO deshalb verstärkt investiert, um sich von der Abhängigkeit der sehr schwankenden Energiemärkte zu lösen und so ein konstanteres Preisniveau zu halten.
„Energieprojekte unserer Bürger unterstützen“
Die Chancen für Bürgerinnen und Bürger, als Erzeuger oder Kunden beim Ausbau der erneuerbaren Energien in Oberhaching mitzumachen, stellte Sascha Bucklitsch vor und traf damit auf reges Interesse der Zuhörer. „Die GWO wollen in der Gemeinde die federführende Kraft in punkto regenerative Energieversorgung sein“, sagte Bucklitsch, „sowohl, indem wir eigene Erzeugungskapazitäten schaffen als auch, indem wir die Bürger unterstützen, Anlagen zu bauen und ihnen den erzeugten Überschuss-Strom zu fairen Preisen abzunehmen.“
Als mögliche Kooperations-Beispiele nannte Bucklitsch die Installation von Mieterstrom- Photovoltaikanlagen, die Errichtung oder Erweiterung von Dachanlagen und die Vermarktung von Strom aus Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Auch für eine Vermarktung der Stromeinspeisung von Neuanlagen oder für Bestandsanlagen nach Ablauf der EEG-Förderung stünden die Gemeindewerke als Partner bereit.
Vorstellbar sei auch eine Bündelung solcher Aktivitäten in einer zu gründenden Bürgergesellschaft, dies werde von den GWO derzeit untersucht, sagte Bucklitsch. Nicht zuletzt solle auch das Geothermiekraftwerk in Taufkirchen eine neue Stromerzeugungsanlage erhalten, wodurch die Geothermie künftig nicht nur für umweltfreundliche Wärme, sondern auch für regenerativen Strom sorgen werde.
Bürger-Elan versus administrative Vorgaben
Von solchen Aussichten angeregt fragten viele Besucher nach konkreten, zügigen Umsetzungsmöglichkeiten, zum Beispiel für den Bau von Windrädern und anderen Energieerzeugungsanlagen.
Bürgermeister Stefan Schelle freute sich über das Engagement der Anwesenden, musste als Vorsitzender des Regionalen Planungsverbands München jedoch allzu ehrgeizige Vorstellungen mit der Realität von Planungs- und Genehmigungsverfahren kontrastieren. Das neue `Wind-an-Land-Gesetz´ zum Beispiel sei ein „wuchtiges Regelwerk“, das erst Zug um Zug umgesetzt werden könne. Auch künftig seien zum Beispiel Artenschutz, Emissionsschutz und weitere Vorschriften zu berücksichtigen und in Einklang zu bringen, so Schelle.
Weiterhin seien Planungen und Genehmigungen auch beklagbar, so dass mitunter erhebliche Verzögerungen eintreten könnten. Die nunmehr vorgeschriebene Ausweisung von 1,8 Prozent der Landesfläche als Windkraft-Vorrangfläche sei ein weiteres Projekt, das seine Zeit brauche
Trotz aller Hindernisse versprach Schelle die tatkräftige Unterstützung der Gemeinde und der GWO bei allen sinnvollen Vorhaben auf dem Weg zu einer ökologischen und klimafreundlichen Energiewende und verwies darauf, dass Oberhaching mit seinen Erfolgen in der Geothermie und in der Lieferung von Ökostrom bereits frühzeitig die richtigen Signale gesetzt habe.